Astrosophie
Vorbetrachtung - Urbilder und Daseinserkenntnis
Als Mensch ist man zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort von bestimmten Eltern in eine ebenso bestimmte Umgebung hineingeboren. Man hat ein bestimmtes individuelles Aussehen und bestimmte Anlagen, Fähigkeiten und Interessen, eine charakterliche Grundprägung. Ebenso hat man individuelle Vorlieben- und Abneigungen Dingen und Menschen gegenüber, sowie bestimmte Krankheitsdispositionen.
Man hat ein Dasein und nimmt sich bewusst in der Welt und in der Wechselwirkung mit dieser wahr. Das Leben, die Lebenszeit, die man vor sich liegen sieht, muss nun auf einem bestimmten Weg hin zu einem bestimmten Ziel durchschritten, durchlebt werden. Man weiß um die Begrenztheit dieser Daseinsspanne, wie von der Unberechenbarkeit (nicht im Sinne von Willkür), die diese in sich birgt - etwa in Form von "Schicksalsschlägen" wie einer schweren Krankheit, einem Unfall usw.
Beim Blick in den nächtlichen Sternenhimmel fühlt man sich klein, unbedeutend, verloren ...
Diese, in der Regel, schmerzhaften Unberechenbarkeiten versucht man zu vermeiden oder zu umschiffen, möglichst unbeschadet und sorgenfrei durch das Leben zu gehen, einen sicheren Hafen zu erreichen oder einen solchen anzusteuern. Hierzu braucht man feste Wegmarken, eine Art Koordinatensystem, an dem man sich orientiert, das Halt gibt und Sicherheit.
Diese Wegpunkte sind:
eine solide (gute) Ausbildung, ein sicherer Job, Ehe und Kinder, hohes Gehalt, berufliche Karriere, Gesundheit, langes Leben, "gelungene" Kinder usf.
Oberflächlich betrachtet, scheint dieses Wegpunkte-System, die gerade Wegpunktlinie auch bei denen, die es befolgen auch zu funktionieren und diese Menschen leben in der Illusion eines guten, richtigen Lebens und sterben auch in dieser Überzeugung. Aus dieser Froschperspektive ergibt sich der Schein einer heilen Welt... Doch stimmt das?
Weite ich meinen Sehkreis, werfe ich einen weiten, sehr weiten Blick auf das Leben (die Welt), seine (ihre) Formen, Erscheinungen, Ereignisse, Menschen und Menschenleben, "Schicksale", so ergibt sich doch ein ganz anderes Bild - wesentlich vielfältiger, facettenreicher, lebendiger.
Die gerade Wegpunktlinie schlängelt sich hier, wird gebrochen, verliert ihre Geradlinigkeit, wirkt eher wie ein chaotisches Punktmuster gebildet von den einzelnen variablen "Schicksalspunkten" der Darsteller in diesem großen Drama.
Man erkennt in diesem Weitblick, aus dieser Froschperspektive, die Vielheit der Lebenswege, Lebensentwürfe, Lebenskoordinaten, die sich kreuzen und überschneiden und die so gar nicht in das eigene Koordinatensystem hineinpassen wollen. Jenes ist ja im Grunde vollkommen instabil, nicht tragfähig im sich stetig verändernden Lebendigen. Es ist so, als habe man in einem Erdbebengebiet ein Haus errichtet oder auf morastigem Grund oder als habe man ein Kartenhaus errichtet, das beim kleinsten Windhauch, der geringsten Erschütterung in sich zusammenfällt.
Durchbricht nun aber eine der Wegmarken dieses Wohlfühlschema, wird zum Schicksals- und Wendepunkt - was dann?
Zunächst Verunsicherung, dann Verzweiflung und im günstigsten Fall Einsicht in das Geschehen.
Ein Beispiel:
Ein Mensch bzw. ein Ehepaar, bei dem scheinbar alles gemäß dem Wohlfühlplan läuft, hat neben den zwei erfolgreichen (im Sinne seiner Vorstellung) Kindern nun ein geistig oder körperlich behindertes Kind, das so gar nicht in die Idealvorstellung sich fügt, das Chaos und Unordnung bringt und die Eltern - in der Wahrnehmung der Außenwelt - mit einem Makel behaftet. Man redet dann von "schlechten Genen" oder einer genetischen Krankheit, spricht von dem „armen Kind“ erklärt es so zu einem funktionalen Geschehen - ohne Sinnbezug oder als "Schicksalsschlag".
Oder um das Ganze noch etwas zu verschärfen: eine vorgeburtliche Untersuchung ergibt eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes und eine kurze Lebenserwartung - Was tut man dann oder wie geht man damit um?
Betrachten wird das Ganze nun einmal von einer ganz anderen Seite, auf einer ganz anderen Grundlage.
Ausgehend von Geburtsort und Geburtszeit eines Menschen lässt sich ein Horoskop für diesen Menschen erstellen. Dieses "Geburtsbild" oder "Gestirnsbild" zeigt den Menschen eingebettet in den Gestirnsstand zum Zeitpunkt seiner Geburt, gesehen vom Ort seiner Geburt - ein Blick in den nächtlichen Sternenhimmel sozusagen und ein Abbilden dieses "Anblicks" - mehr ist es zunächst nicht. Der Ausschnitt des Fixsternhimmels mit den vor dem Hintergrund eines bestimmten Tierkreiszeichens stehenden Planeten ist als Geburtsprägung des jeweiligen Menschen zu sehen. Diese Prägung ist für jeden einmalig. Sie beschreibt ein Anlagemuster, das Temperament, ein Muster von Neigungen oder Herangehensweisen an das Leben, eine Art innerer Ausrichtung für den Eintritt in das Leben und den Umgang mit diesem.
Wenn es nun diesen sinnhaften Zusammenhang, die Verknüpfung eines kosmischen "Gestirns-Musters“ mit einem menschlichen "Lebensmuster" gibt, dieses in jenem ablesbar ist, bzw. das Lebensmuster des Menschen symbolisch im Gestirnsmuster "beschrieben" ist (in der Symbolsprache der Astrologie), so besteht doch eine Analogie zwischen "Mensch und Kosmos", zwischen Mikrokosmos "Mensch" und Makrokosmos "Sternen- und Planetenhimmel". Die Vorgänge im Kosmos gehorchen Naturgesetzen, sind nicht willkürlich, "keine rohen Kräfte, die sinnlos walten"- es gibt eine kosmische Ordnung und in eben diese ist der Mensch eingebettet, eingewoben.
Es zeigen sich hier keine linearen Kräftewirkungen im Sinne einer Kausalität. Vielmehr geht es hier um Synchronizität im Sinne eines sinnhaften Zusammenwirkens oder Zusammenfallens von Ereignissen. Es geht im Grunde um sinnhaft wirkende, sich entfaltende, gleichnishafte, akausale Seinsmuster. Sheldrake spricht hier von morphogenetischen Feldern, C.G. Jung von Archetypen, Platon von Urbildern (siehe Platons Höhlengleichnis).
Zufall im rein willkürlichen Sinn kann es hier nicht geben, Zufall im Sinne von "nicht erklärbar"(anhand eines aktuell vorherrschenden Weltbildes) schon. In der Urbedeutung des Wortes Zufall ist ja so etwas wie Willkür gar nicht enthalten, meint es doch „zu-fallen“ – also mir zugehörig sein!
Wie kommt jetzt der Mensch ins Spiel, WIESO tritt er zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort als Individuum oder Person in Erscheinung, wird geboren, tritt in die Welt? (Das WIE ist ein biologisch erklärbarer Vorgang und hier belanglos.)
Man sollte besser fragen: WAS tritt hier in die Existenz oder bewirkt diese ursächlich? WER oder WAS will da zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort von bestimmten Eltern geboren werden um das zugehörige Lebensmuster zu durchleben?
Welcher Inhalt sucht sich eine angemessene Form? Denn eine Form ohne Inhalt ist zwecklos und sinnfrei.
An dieser Stelle gehen wir wieder zurück zu dem Punkt "Schicksalsschlag", dessen Ursachen zunächst im Dunkel liegen. Nun ist im menschlichen Leben ein solcher Punkt maximaler Verzweiflung einmal ein Punkt der Infragestellung von außen (dazu später mehr) jedoch aus der persönlichen Situation zunächst eine eigene Fragestellung an das Außen oder nach außen: WARUM?
Man sucht nach einem Sinn des Geschehens oder zumindest einer "beruhigenden" Erklärung, auf dass man sagen kann: "Da kann man nichts machen. Ist halt so..." Im letzteren Fall wird man sein altes Wohlfühlmuster weiterführen. Jemanden, der den Sinn des Geschehens zu ergründen sucht, wird diese "Erklärung" nicht zufriedenstellen. Doch wo die Antwort finden...?
Auch hier muss man zu der Einsicht gelangen, dass kein Lebensereignis willkürlich-zufällig auftreten kann - jedes einzelne muss einer Sinnlinie folgen, einer allgemeingültigen und einer für mich gültigen und genau diese erkennt man im "Lebensmuster" des Horoskops. Das Lebensereignis fällt mir zu! Ja, ich habe es mir ausgesucht, denn es ist geprägt durch das, was ich vorher war!
Dieser Erkenntniskreis ist jedoch zu weiten hin zum Weltentstehen, zur Weltentwicklung, zum eigentlichen Sinn des Daseins, zum Wesen des Seins, seines Ursprunges und seines Entwicklungszieles.Und genau an diesem Punkt setzen die folgenden Betrachtungen zur Astrosophie, der dem (Da)sein zugrunde liegenden Symbole, der Urbilder als Hinleitung zur Daseinserkenntnis (tattwa bodha) und schließlich der Selbsterkenntnis (atma bodha).
Anstelle einer ausufernden und verwirrenden begrifflichen Beschreibung, ausgehend vom Intellekt (Verstand) soll versucht werden eine intuitive Schau auf das Wesen der Symbole (Urbilder) zu erhalten - daraus mag man dann die passenden Begriffe sich ableiten. Der Intellekt kann zum Wesen niemals vordringen, da er immer nur im Oberflächlichen sich verfängt.
Bewusstseinsstufen
Bewusstseinsebene |
Beschreibung |
Intellektualbewusstsein |
Vernunft (höhere Ebene des schauenden, intuitiven Denkens), Niedere Ebene des rational-logischen Verstandes, das gegenwärtig in der Menschheit vorherrschende Denken |
Unterbewusstes Seelenleben |
Überpersönliches UB, Persönliches UB, persönliche Süchte, Komplexe, Leidenschaften |
Überbewusstsein |
Überkosmisches Bewusstsein, Kosmisches Bewusstsein, archetypische Urbilder, die das Wesen des Menschen konstituieren |
Grundsymbole (nach Oskar Adler)
Planetensymbol |
(Be-)Deutung |
Kreis |
Die potentielle Welt (Parabrahm) |
Kreis mit Punkt |
Die Selbstoffenbarung (die Logoi) |
Halbkreis |
Die Spiegelung in der Selbstoffenbarung (Subjekt – Objekt) |
Kreuz |
Die Rückbesinnung, der Rückbezug, die Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt, Selbsterkenntnis, Gotteserkenntnis und Rückkehr zur Einheit |
Das Symbol der Venus bedeutet demnach „der Geist beherrscht die Materie“, im Sinne eines vom Geist befreiten oder erhobenen Irdischen. Jupiter hingegen symbolisiert die Erhebung durch den Glauben. Geist (Sonne) repräsentiert die Liebe (im höheren Sinn), der Mond (Seele) den Glauben. Beide zusammen, in ihrer Verbindung führen zu Gott.
Steht das Kreuzsymbol oben, so ergibt sich als Neigung die „Gottverlassenheit“:
Beim Mars: das Müssen ist, der Zwang des Irdischen ist dem Geist aufgebürdet, als unabwendbarer Zwang der Natur
Im Symbol des Saturn geht es um das Erdulden und Erleben der materiellen Zwänge und Notwendigkeiten
Merkur vereint die drei Grundsymbole und steht für die freie Beweglichkeit, die zur Erkenntnis führt.
Das Jahr als „Offenbarung des göttlichen Willens im Weltall“
Der astrologische Urgedanke vom Zusammenhang des kosmischen und irdischen Geschehens reicht tief in vorgeschichtliche Zeit. „Vor der Ausbildung von Sprache und Schrift herrschte das imaginativ geschaute Bild, das Symbol.“ „An Gestirnssymbolen orientierte der Mensch sich, noch ehe er eine Begriffssprache entwickelte.“
Die mythisch-symbolische, prälogische Denkform erschließt eine tiefere Sicht der Wirklichkeit als das kausal-gegenständliche Denken.
Das „Tier“ wurde als Repräsentant der astralen kosmischen Kräfte erlebt, die Astralseele (auch Tierseele) als das Verbindungsglied mit den Sternen bzw. deren astralen Einwirkungen. Tiere und Planeten gehören geistig betrachtet eng zusammen – der Zodiakus besteht aus Tierbildern.
Es geht im hier geschilderten Bewusstseinszustand um „lebendiges Erleben der kosmischen Rhythmen von Sonne, Mond und Sternen aus der Verwurzelung im Schwingen der Tages und Jahreskreisläufe.“
Das Jahr ist die „Offenbarung des göttlichen Willens im Weltall“.
Kosmischer Anzeiger des wahrgenommenen Jahreslauf ist der Lauf der Sonne am Firmament. Er beschreibt bezogen auf einen Tage den Kreis des Menschenlebens: Morgen, Mittag, Abend, Nacht. Bezogen auf ein Menschenleben die Phasen: Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, Greisenalter.
Dieser Jahreslauf der Sonne verbindet Mensch und Kosmos, beschreibt im Jahreslauf beim Durchwandern des Tierkreises (Makrokosmos) das „makrokosmische Wesen des Menschen“, den Menschenleib als „Panorama der göttlichen Hierarchien“ (Totenbuch).
Der „Menschenleib spiegelt als Mikrokosmos wieder die Hierarchien des Makrokosmos“.
Es ist an diesem Punkt wichtig, sich klar zu machen, dass die Symbolik der Astrosophie, des chinesischen I GING, wie auch jene der Ägypter auf den Jahreslauf der Sonne und seinen vier Übergangspunkten, repräsentiert durch die Jahreszeiten (Sonnenwendpunkte) beziehen! Diesen Zusammenhang sehe ich als wesentlichen Verständnisschlüssel für die zu untersuchende Symbolik der Astrosophie, deren Verständnis und Deutung.
Die abgebildete Darstellung soll den Jahreslauf der Sonne und die den Jahreszeiten zugehörigen Wendepunkte veranschaulichen:
Symbolik der Sonnenreligion
Symbol |
Bedeutung |
---|---|
Sonne, Geist, Gott | |
Sinnbild des vollkommenen, unendlichen Gottes (Gottheit, Parabrahm) | |
Punkt |
Das Personsein Gottes |
Die Raumachse, Oben und Unten, Oberwelt und Unterwelt, Frühlings- und Herbstsonnenwende, Osten und Westen | |
Die Zeitachse – Vorher, Nachher, Vergangenheit und Zukunft | |
Der raum-zeitliche Kosmos, die Erde, die vier Quadranten des Horoskops |
Vergleichende Darstellung
Makrokosmos |
Mikrokosmos |
Tempelbau |
Ägyptischer Mythos |
Jungsteinzeitlicher Mythos |
Christentum |
---|---|---|---|---|---|
Sonne |
Geist |
Allerheiligstes |
Osiris |
Jahresgott |
Vater |
Mond |
Seele |
Heiligtum |
Isis |
Erdgöttin |
Mutter (Heiliger Geist) |
Erde |
Leib |
Vorhof |
Horus |
Sohn |
Sohn |
Die Ägypter hatten darüber hinaus eine Gliederung des Menschen – jedoch im Gegensatz zur siebenfachen Gliederung des Menschen in der Theosophie, fußend auf ihrer Anschauung – eine neungliederige Einteilung.
Die zugrundeliegenden Prinzipien sind dieselben, jedoch sind die Zuordnungen der ägyptischen Elemente der Gliederung zu jenen der Theosophie nicht ganz klar, zumal Arthur Schult in seiner Bezugnahme etwas andere Begriffe verwendet. Um hier unnötige Verwirrung zu vermeiden, da andere Begriffe verwendet werden und die Zuordnung mir nicht eindeutig möglich ist, führe ich das ägyptische Gliederungsschema hier nicht an. Es hat darüber hinaus auch keine Bedeutung für unser Streben nach Symbol-Erkenntnis. Somit reicht der Hinweis darauf. Mein Bezugspunkt ist das Gliederungsschema der Theosophie.